Gewiss: Die Landschaft Oberhasli im Berner Oberland zählt nicht zu den täufergeschichtlich bedeutsamen Regionen der Schweiz. Aber so richtig dies etwa im Vergleich mit dem Emmental oder dem Grossraum Thun auch sein mag – es geht darob doch etwas vergessen, dass auch hier das Täufertum seine Spuren hinterlassen hat.
So sind bereits in den 1530er und 1540er Jahren aus manchen Dörfern am Brienzersee (v.a. aus Brienz und Oberried) – und damit der unmittelbaren Nachbarschaft des Oberhasli – etliche Täuferinnen und Täufer nachweisbar (vgl. dazu die Belege in Quellen zur Geschichte der Täufer in der Schweiz Bd.3).
Besonders eindrücklich ist die Geschichte des Hans Stäli (Stähly) und seiner Familie aus Brienzwiler, dessen täuferische Überzeugungen ihn nach einigen Gefangenschaften zur Flucht zwingen und ihn zuerst ins Baselbiet und später möglicherweise bis nach Niederösterreich führen. In einem Verhör sagt er 1552 aus, dass die Begegnung mit einem Täuferlehrer namens Hans Lüthi aus dem Eggiwil bei seiner Wendung zum Täufertum eine wichtige Rolle gespielt habe. Dieser habe ihn eingeladen, an einer täuferischen Predigt auf dem Ballenberg bei Brienz teilzunehmen (vgl. StABE B IX 423, 89v ff., zum Berner Täufertum vgl. diesen Link). Auf dem Ballenberg habe er dann einen Täufer predigen hören – genau das, was die eigenen Prädicanten auch sagen. Nur habe er den Eindruck erhalten, dass die Täufer dies alles nicht nur lehren, sondern es auch tun:
„Welches im nit übel gfallen, dann inn bedüchte, sy fuortint ein erbar wäsen mit abstellung der lastern etc.“
Der Ballenberg ist heute bekanntlich ein beliebtes Freilichtmuseum, wo mehr als 100 originale, jahrhundertealte Gebäude aus allen Landesteilen der Schweiz zu besichtigen sind. Und interessanterweise stammt eines dieser Gebäude just aus dem besagten Eggiwil – es ist der Hof «Untere Grosstanne», welcher zufällig ebenfalls Berührungspunkte zum lokalen Täufertum aufweist: 1654 wird ein „Gross-Tannen-Michel“ als Täufer aktenkundig, weil er seit Jahren keine reformierten Gottesdienste besucht hat… (StABE, B III 563, Nr 135).
(Als ich im Täuferjahr 2007 die Leitung des Ballenberges auf diese Berührungspunkte zum Täufertum hinwies, zeigte man damals leider kein Interesse, diese Bezüge zu thematisieren und auf ein interessantes Stück Schweizergeschichte hinzuweisen…)
An dieser Stelle sei auf einen täufergeschichtlichen Bezug nach Meiringen hingewiesen, dem Hauptort des Oberhasli. In der Kirche von Meiringen wirkte von 1569 bis 1575 Pfarrer Joseph Hauser. Hier im Pfarrhaus lebte er mit seiner Familie und hier wuchs auch sein gleichnamiger Sohn auf.
In den Fusstapfen seines Vaters studierte Joseph Hauser junior später Theologie, wurde seinerseits Pfarrer und ab 1588 Lateinschulmeister in Zofingen. Dann, um die Jahreswende 1589/90 erfolgte die überraschende Hinwendung Hausers zum Täufertum und seine unvermittelte Abreise nach Mähren zu den Hutterern.
In der unlängst erschienenen jüngsten Ausgabe von MENNONITICA HELVETICA 40 (2017) untersucht Hans Rudolf Lavater die mutmasslichen Gründe für diesen Gesinnungswandel. Dabei würdigt er erstmals in einer Gesamtschau dessen eindrückliche Leistungen als Kolonisator und Theologe im Dienste der kommunitären Gemeinschaft der hutterischen Täufer. Nicht nur für Oberhasli-Fans eine sehr empfehlenswerte Lektüre!
Und à propos Zofingen: Genau in diesem Aargauer Städtchen findet am 8. September 2018 – auf den Spuren Hausers – die diesjährige Mitgliederversammlung des Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte statt! Termin bitte vormerken!
PS. Zu Brienz und dem Ballenberg vgl. nun auch dies.