Täufergeschichte, Menschenrechte und Folterverbot

Folterung des Täufers Geleijn Cornelis in Breda/NL um 1572 (Stich von Jan Luyken aus dem Märtyrer-Spiegel von 1685)

Folterung des Täufers Geleijn Cornelis in Breda/NL um 1572 (Stich von Jan Luyken aus dem Märtyrer-Spiegel von 1685)

Folter stellte nicht nur wie abgebildet in den Niederlanden, sondern auch in der Schweiz für viele Jahrhunderte ein gängiges Mittel dar, um missliebige Minderheiten gefügig zu machen. Dies galt auch für die Repression des Täufertums, dieser auf die Reformation zurückgehenden Bewegung kirchlicher Nonkonformisten.

Dass die Täufer Gottesdienstbesuch, Kirchenmitgliedschaft und Glaube von jeglichem obrigkeitlichen Zwang befreien wollten und sich weigerten, Kriegsdienst zu leisten und politischen Behörden bedingungslosen Gehorsam zu schwören, führte zu ihrer europaweiten Verfolgung.

Am längsten und härtesten traf es das Täufertum in Bern. Hier war es trotz Güterkonfiskationen, lebenlänglichen Haftstrafen, Deportationen und Ausschaffungen lange Zeit nicht gelungen, diese als Ketzer, Rebellen und Scheinheilige bezeichnete religiöse und gesellschaftliche Minderheit auszumerzen. Mitte 1714 griff die Obrigkeit der Aarestadt darum erneut zum Mittel der Galeerenstrafe, um „dieses Unkraut in unseren Landen auszuwurzeln“. Da dieses Verdikt mit hoher Wahrscheinlichkeit einem Todesurteil auf Raten gleichkam, erreichte es die bezweckte Einschüchterung und Abschreckung der noch im Land befindlichen Täuferinnen und Täufer durchaus. Der anvisierte „Ekklesiozid des Täufertums“ schien endlich in erreichbare Nähe zu rücken…

Dies ist der Hintergrund für einen der seltenen Suizide eines inhaftierten Täufers in der Schweiz. Fast auf den Tag genau vor 300 Jahren (wohl am 29. November 1714) nahm sich in einem Berner Gefängnis der Täufer Christian Trachsel das Leben.

Trachsel stammte aus Noflen in der Kirchgemeinde Kirchdorf in der Aareebene zwischen Bern und Thun. Er war verheiratet mit Barbara Gfeller. Spätestens seit 1704 war er Täufer. Das war wohl der Grund, dass die Familie schon bald abtauchte, sich auf quasi permanenter Flucht befand und in der Hoffnung auf ruhigere Zeiten in abgelegeneren Gegenden zu überleben versuchte. 1699 liess das Ehepaar ein Kind in Röthenbach, 1702 in Schwarzenegg hinter Steffisburg taufen, 1705 wohnte die Familie auf Kapf im Eggiwil, 1707 auf Stockern.

Im Herbst 1714 halfen aber alle Heimlichkeiten nichts mehr: Trachsel wurde verhaftet und als Rudersklave auf die Galeeren verurteilt. Das bewegte ihn, sich gegenüber den Behörden vorerst als umkehrwillig zu bezeichnen (StABE, A II 648, 261), bevor ihn Angst und Verzweiflung Ende November in den Suizid trieben:  In seiner Zelle im Dittlinger Turm fand man ihn, als er sich an einem «Schnürlin gleichsam ständlings erwürget» hatte (StABE, A II 649, 35).

Blick von Norden auf die Stadt Bern. Der Dittlinger Turm in der Bildmitte rechts neben der Heiliggeistkirche war seit dem 16. Jahrhundert ein Gefängnis. Seine Grundrisse sind beim Neubau des Bahnhofplatzes 2007 neu ausgegraben worden. (Gemälde von Joh. Grimm um 1740)

Blick von Norden auf die Stadt Bern. Der Dittlinger Turm in der Bildmitte rechts neben der Heiliggeistkirche war seit dem 16. Jahrhundert ein Gefängnis. Seine Grundrisse sind beim Neubau des Bahnhofplatzes 2007 ausgegraben worden. (Gemälde von Joh. Grimm um 1740)

Schicksale wie das von Trachsel wiederholen sich seither weltweit. Die Umstände mögen sich verändert haben, geblieben sind unzählige Varianten von Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Arten der Behandlung oder Strafe.

Grund genug, auch aus Solidarität und Wertschätzung für das Leiden von Täuferinnen und Täufern in der Vergangenheit an die heutigen Opfer von Folter und Gewalt zu denken. Der 10. Dezember als Tag der Menschenrechte und als 30. Jahrestag der Anti-Folterkonvention der Vereinten Nationen bietet Gelegenheit, sich auf die eine oder andere Weise stark zu machen für diejenigen Menschen, die weltweit unter Gewalt und Folter leiden und sich weiter einzusetzen für die Unbedingtheit des Folterverbots.

(Vgl. zum Ganzen meinen Aufsatz in Georg Plasger / Heinz-Günther Stobbe (Hrsg.), Gewalt gegen Christen. Formen, Gründe, Hintergründe. Leipzig 2014)

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