Russlanddeutsche Mennoniten in Basel

In den letzten Jahren kamen zunehmend russlanddeutsche Mennonitengruppen in die Schweiz, um die wichtigsten Orte täuferischer Geschichte zu besuchen (Zürich, Bern, Emmental, Jura). Auch wenn ihre eigene Geschichte wenig direkte Bezüge zum Schweizer Täufertum aufweist, so gibt es doch zahlreiche Parallelen der theologischen Positionen und der kirchlichen Herausforderungen.

Nur wenigen ist dabei aber bekannt, dass der Raum Basel zahlreiche Berührungspunkte mit ihrer eigenen Geschichte als russlanddeutsche Mennoniten aufweist.

Vor allem in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jh. kamen viele mennonitische Studenten aus Südrussland nach Basel, einem Zentrum spätpietistisch-erwecklicher Theologie und Pädagogik: Hier besuchten sie entweder das Predigerseminar der Pilgermission auf St. Chrischona, die Evangelische Predigerschule im Wildensteinerhof an der St. Alban-Vorstadt 32 oder die Armenlehreranstalt auf Schloss Beuggen bei Badisch-Rheinfelden.

Einer dieser Studenten war Gerhard Harder. Im Nachlass von Jakob Wüthrich-Steiner, wohnhaft auf Schillingsrain unterhalb des Bienenberges bei Liestal und einer der Ältesten der Altevangelischen Taufgesinnten-Gemeinde Schänzli in Muttenz, findet sich die folgende Foto von ihm:

Foto Gerhard HARDER 1857-1931

Gerhard Harder (um 1884)

Auf der Rückseite der Foto steht in zierlicher Handschrift: „Mt. 25,40. Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Und sodann: 

„Meinen lieben Pflegeeltern Jacob Wüthrichs als ein kleines Erinnerungszeichen von Gerhard Harder aus Neu-Halbstadt in Süd-Russland 1884, 14. April“.

Dieser kurze handschriftliche Eintrag macht deutlich, dass der aus Mennonitengemeinden in der Ukraine stammende Harder als junger Chrischona-Student während seines Aufenthaltes in Basel offenbar von dieser Schweizer Täuferfamilie „adoptiert“ worden ist. Es ist davon auszugehen, dass er dort vor allem an Wochenenden regelmässig aus und ein ging und so neben seinem Studentenalltag etwas Gastfreundschaft und Familienatmosphäre geniessen konnte.

Gerhard Harder (1857-1931) war der Sohn des bekannten Predigers, Lehrers und Schriftstellers Bernhard Harder. Er war bereits Lehrer, als er sein Theologie-Studium auf Chrischona begann.

Später wurde er Oberstufenlehrer in Neu-Halbstadt (heute: Molotschansk), dann Prediger daselbst und später Reiseprediger der Mennonitischen Bundeskonferenz. 1931 wurde er im Rahmen der Repression Stalins verhaftet und zur Deportation nach Sibirien verbannt. Er starb nach mehrmonatiger Haft am Tag vor der Wegführung. Harder wurde geschätzt wegen seiner hohen Einsatzbereitschaft, die gepaart mit Wärme und Freundlichkeit gewesen sein soll.

Durch die Kontakte schweizerischer Mennoniten mit russischen Glaubensgeschwistern entstanden freundschaftliche Verbindungen, die oft jahrzehntelangen Bestand hatten und manchen den Blick nachhaltig weiteten für globale Entwicklungen und Herausforderungen in Kirche und Welt. Dies führte dazu, dass auch Schweizer Mennoniten sich aktiv an der Nothilfe des mennonitischen Hilfswerks Mennonite Central Committee zugunsten der Hungerleidenden in der Ukraine in den 1920er Jahren beteiligten.

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