Bekanntlich lohnt sich ein Besuch in der Dokumentationsstelle des Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte auf dem Bienenberg bei Liestal allemal. Vor allem wenn man anschliessend im dortigen Restaurant noch ein feines Essen oder Zvieri geniesst!
Wer vom Bahnhof Liestal entlang der Schauenburgerstrasse zum Bienenberg hochgeht oder -fährt, der kommt bei den letzten Häusern des Kantons-Hauptortes rechterhand am Bauernhof Schillingsrain vorbei.
Auf dem Schillingsrain wohnte seit dem Ende des 18. Jahrhunderts mit Christian Röthlisberger der erste Älteste einer sich neu bildenden Täufergemeinde im Oberen Baselbiet. Nach dem repressionsbedingten Ende der einheimisch-baslerischen Täuferbewegung um 1700, zogen seit 1750 aufgrund einer dank Aufklärung und Pietismus wachsenden Akzeptanz erneut Täuferinnen und Täufer ins Baselbiet. Fast alle von ihnen hatten bernische Wurzeln. Ihre Zuwanderung erfolgte aber meist nicht direkt aus dem Bernbiet, sondern via Zufluchtsorte im Elsass, im Breisgau oder im Fürstbistum Basel, wo sie vorübergehend während 2-3 Generationen Unterschlupf gefunden hatten. Aufgrund ihres Fleisses und ihrer anerkannten Kompetenz in der Landwirtschaft konnten diese Täufer bis 1800 zahlreiche grössere und kleinere Bauernbetriebe im Raum Basel pachten. Im Raum Liestal waren dies neben dem Schillingsrain etwa die Höfe Obere und Untere Wanne, Gräuberen, Sichtern, Talacker, Hasenbühl, Goldbrunnen, Rosenberg, Bienenberg, Ostenberg etc. Das Hinterland von Liestal wurde dabei bald zum Zentrum einer nicht-amischen Täufergemeinde, während im unteren Kantonsteil im Holee bei Basel-Binningen eine Gemeinde der amischen Richtung entstand. (Näheres dazu siehe in meinem Aufsatz „Und ob es schon nicht in Kana wäre“ – Die Rückkehr des Täufertums nach Basel und die Anfänge einer „unteren“ und einer „oberen“ Gemeinde 1770-1800, in: Mennonitica Helvetica 26/27 (2003/2004), 7-91)
Christian Röthlisberger von Langnau (1758-1845) zog mit seiner Frau Anna Barbara Steiner (1757? – 1835) im Verlauf der 1780er Jahre vom Bergbauernhof Pierrefeu („Füürstei“) am Chasseral oberhalb von Corgémont ins Baselbiet. Ihre Präsenz auf Schillingsrain machte diesen Ort bald zum Zentrum der entstehenden neuen Gemeinde. Aus dieser Zeit sind neben einigen Pachtverträgen und wenigen Briefen vor allem einige alte Bücher erhalten. Offenbar waren es wichtige familiäre oder gemeindliche Ereignisse, welche das Ehepaar Röthlisberger dazu bewogen hat, auf eigenen Büchern Metall-Plaketten mit Jahreszahlen anzubringen. Abgebildet sind nachfolgend ein Exemplar des täuferischen Gesangbuches „Aussbundt“ von Anna Röthlisberger-Steiner mit den Signetten „1790“ und „A.R“, sowie von ihrem Mann eine Kopie von Menno Simons‘ Fundamentbuch mit den Plaketten „1794“ und „C.R“.
Mit ihrem Grosskind Christian ging der Schillingsrain für mehrere Jahre in den Besitz der Familie Wüthrich vom Seltenbach im bernischen Trub über. Die Initialen C.W. über dem Scheunentor weisen bis heute auf ihn hin.
Etliche Nachkommen des Christian Wüthrich leben noch heute im Baselbiet, und einige sind bis heute Mitglieder in der Evangelischen Mennonitengemeinde Schänzli in Muttenz, wohin sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts der Schwerpunkt der Täufergemeinde im oberen Baselbiet verschoben hatte. Die nachfolgende Postkarte zeigt die 1903 erstellte Kapelle – damals noch weit und breit einziges Haus an der Strasse, die von Basel / St. Jakob ins Dorf Muttenz führt.