Zwingli und die Täufer auf Grossleinwand

VON REFORMATIONSJUBILÄEN, GEDENKTAFELN UND EMPÖRTEN STADTVÄTERN

Es war Anfang Juli 1952. Alles war bereit in Zürich für den Besuch der Delegierten der Mennonitischen Weltkonferenz, die in Basel tagte. Der reformierte Zürcher Theologieprofessor Fritz Blanke – dieser «Querdenker mit Herz» (Christoph Möhl in seiner Blanke-Biographie von 2011) – hatte alles aufgegleist für die feierliche Einweihung zweier Gedenktafeln in Zürich, um an die schwierige Geschichte der Täufer in Zürich zu erinnern.

Und da geschah es. Der Zürcher Stadtrat legte in allerletzter Minute sein Veto ein und nahm frühere Zusagen zurück. Offenbar hatte er erst jetzt den genauen Wortlaut der einen Gedenktafel sorgfältig studiert, die an der Limmat platziert werden sollte im Gedenken an den anno 1527 hier ertränkten Täufer Felix Mantz. Und dabei kam der Stadtrat zum Schluss, dass die Inschrift auf inakzeptable Weise den guten Ruf und das Ansehen Ulrich Zwinglis beschmutze. (Eine Gedenktafel kam dann erst 2004 an die Schipfe an der Limmat [Foto unten], vgl. dazu Näheres bei Michael Baumann, Gemeinsames Erbe, Zürich 2007)

67 Jahre später kommt nun ein Film über Zwingli in die Kinos (ab 17.1.2019), der nicht verschweigt, dass der Reformator der Limmatstadt durchaus eine gewisse Mitverantwortung an der Hinrichtung von Mantz trägt. Mehr noch: In der Figur von Zwinglis Frau Anna Reinhart lassen Film-Regie und Drehbuch auf überraschende Weise just diejenige Person zu einer Fürsprecherin für die Täufer werden, die dem Reformator vielleicht am nächsten steht.

Anna Reinhart und Zwingli (Foto: C-Films AG)

Historisch belegen lässt sich diese Position der Anna Reinhart zwar nicht. Aber weil wir über sie aus den Akten fast nichts Genaues wissen, ist es immerhin denkbar, dass sie so gedacht und gehandelt haben könnte. Dieser kleine Kunstgriff eröffnet dem Film einige interessante Perspektiven: An Zwingli können Fragen gestellt werden, die vielleicht so nie gestellt worden sind, oder nur von ganz anderen Personen. Auf jeden Fall tragen sie dazu bei, Zwingli doch noch wesentlich kritischer zu befragen, als sich der Zürcher Stadtrat dies 1952 wohl hätte träumen lassen…

Einzig bei den Texteinblendungen am Schluss des Films unmittelbar vor dem Abspann zum Film mit den m.E. irreführenden Aussagen zur angeblich so „friedlichen“ Fortsetzung der Reformation irrlichtet mir der Geist jener heroisierend-beschönigenden Stadtrats-Mentalität von 1952 wieder befremdlich stark auf. Aber ich will das eigentlich nicht als die Schlussbotschaft des Films verstehen…

So oder so: Wer an Täufergeschichte und deren möglicher Relevanz für die Gegenwart interessiert ist, darf sich diesen Film eigentlich nicht entgehen lassen!

Ausführlichere Anmerkungen zum Film siehe unter https://de.bienenberg.ch/blog/zwinglifilm  sowie https://mennonitica.ch/sola-scriptura-zwischen-fundamentalismus-und-beliebigkeit/ sowie https://mennonitica.ch/sola-scriptura-zwischen-fundamentalismus-und-beliebigkeit/

Hanspeter Jecker

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