VON MATERIELLER NOT, FROMMEN SEHNSÜCHTEN UND DER HOFFNUNG AUF BESSERE ZEITEN

ZU DEN ANFÄNGEN DER TÄUFERISCH-MENNONITISCHEN REDIGER/REIDIGER/REUTIGER-FAMILIEN AUS BOLTIGEN IM SIMMENTAL.

EINE SPURENSUCHE ZUM RELIGIÖSEN NONKONFORMISMUS IM BERNER OBERLAND

Kirche von St. Stephan. Der Artikel weist nach, dass Sebastian Reutiger, der „Stammvater“ der mennonitischen Rediger-/Reutiger-Familien, hier am 4. April 1717 reformiert getauft worden ist (Foto M:Heath).

Das Simmen- und Kandertal im südwestlichen Berner Oberland in den Schweizer Alpen zählen nicht zu den täuferischen Kerngebieten. Daran ändert auch die Tatsache nicht, dass mit Jakob Amman die Schlüsselfigur der Gemeinschaft der Amischen Täufer aus Erlenbach im Simmental stammt.

Gleichwohl gab es im frühen 18. Jahrhundert in dieser Gegend eine Reihe von religiösen Bewegungen, die im Umfeld von Täufertum und Pietismus für viel Unruhe sorgten und prompt die Behörden auf den Plan riefen.

In der neuen Ausgabe von MENNONITICA HELVETICA 43 (2020) wird ein längerer Artikel dieses Thema aufgreifen.

Der Beitrag beschreibt anhand einer auf teils neuen Quellenfunden basierenden Detailstudie das familiäre, soziale und kirchliche Umfeld von Sebastian Reutiger (1717–1791), einem reformierten Bergbauernsohn aus Boltigen im bernischen Simmental. Aufgewachsen in einer Zeit und Region, in der es immer wieder zu Manifestationen von religiösem Nonkonformismus kam, suchte er – ohne offenbar an kirchlichen Fragen gross interessiert zu sein – primär aus wirtschaftlicher Not sein Glück im Ausland. Sein überraschender Übertritt zum Täufertum im Zweibrückischen (1739) regt an, nochmals zurückzufragen und genauer hinzusehen, welche täuferisch-pietistischen Impulse zur Zeit seiner Kindheit und Jugend in Boltigen spürbar waren und ihn allenfalls via Verwandte, Bekannte und Nachbarschaft geprägt haben könnten.

Die Boltiger Chorgerichtsmanuale erweisen sich als äusserst farbige Quelle – etwa wenn sich der reformierte Pfarrer Rudolf von Bergen über das «Täuffer- und Quacker-Mäydli» Christina Moser aufregt (CGM Boltigen 5, 348f.)

Durch diese Fragestellung werden einerseits neue Einsichten zur Geschichte des religiösen Nonkonformismus im südwestlichen Berner Oberland gewonnen – unter anderem über den «Schwärmer» und Separatisten Hans Reutiger. Anderseits kommen auch genealogisch Interessierte auf ihre Rechnung, indem in diesem Beitrag die bisher lückenhaften Kenntnisse vertieft werden über die Anfänge der in Europa und Nordamerika mittlerweile sehr zahlreich gewordenen mennonitischen Rediger/Reidiger-Familien: Sie alle gehen zurück auf den obgenannten Sebastian Reutiger aus Boltigen im Simmental.

MH 43 (2020) erscheint voraussichtlich Mitte Februar 2021 und wird allen Mitgliedern des Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte gratis zugestellt. Einzelne Kopien können beim Verein bestellt werden (CHF 30.-).

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