Zu seinem heutigen 250. Geburtstag an diesem 22. März 2021 wird der aus Magdeburg stammende Heinrich Zschokke (1771-1848) in vielen schweizerischen Medien ausführlich gewürdigt:
Gewürdigt als eine zentrale politische Figur des Übergangs von der alten Eidgenossenschaft zum Bundesstaat. Gewürdigt als ein Pionier der Pressefreiheit in der Schweiz. Gewürdigt als ein führender Vertreter einer Volksaufklärung, die Volksbildung als Volksbefreiung verstand.
Weniger bekannt sind seine Reisebeschreibungen, die auf seinen zahlreichen Exkursionen quer durch die Schweiz entstanden sind. Und im Rahmen eines solchen Ausflugs durch den Jura ist auch eine der wohlwollendsten Schilderungen entstanden, die dem einheimischen Täufertum im 19. Jahrhundert je zuteil geworden ist. Der romantisierend-idealtypische Duktus der Ausführungen sagt dabei zwar wohl ebenso viel über das Weltbild und die pädagogischen Anliegen des Autors aus wie über das Täufertum im Jura. Und doch bleibt dieser Text ein eindrückliches Denkmal für die Präsenz dieser aus seinen Stammlanden im Emmental, Oberaargau und Oberland vertriebenen Glaubensgemeinschaft in abgelegenen Gegenden des Jura.
Hier eine Passage im Originalton aus diesem 1838 erschienenen Bericht im Kapitel «Pierre Pertuis»:
«[…] Auch über hundert Familien der Wiedertäufer wohnen hier; und nirgends in der Schweiz so viel beisammen. Aber sie leben zerstreut auf einsamen Höfen in Wäldern und Bergen, und zwingen mit ihrer Arbeitsamkeit den unwirthbarsten Gegenden Fruchtbarkeit ab. Ein kräftiger Menschenschlag, vom schönsten Geblüt; treuherzig, friedsam, gewissenhaft und wohlwollend. Allen Nachbarn sind sie lieb. Katholiken und Protestanten der Umgegend vertrauen ihnen mehr, als sich selbst unter einander. Und diese biedern Leute wurden von der Berner Regierung im siebenzehnten und achtzehnten Jahrhundert aus ihren Heimathen verjagt, weil sie keine Eide schwören, keine Waffen tragen mochten. Die Fürst – Bischöfe von Basel, weiser und duldsamer als jene protestantische Obrigkeit, nahmen die verstoßenen Jünger Menno’s in ihr damaliges weltliches Gebiet auf. Ich weiß nicht, ob die Lehre der Wiedertäufer etwas Ketzerei mit sich führt, wie da und / dort ein Geistlicher vielleicht meint; aber der Herr spricht: «An ihren Werken sollt Ihr sie erkennen!» Und da scheints mir bei ihnen so übel nicht zu stehn. Man muß sie besuchen; unter ihnen leben; und man wird sie lieb gewinnen, ja sogar ein wenig bewundern, während man sonst wenig Christen wegen ihres Christenthums bewundert.»
Wer die eindrücklichen Schilderungen nachlesen möchte über die Begegnungen Zschokkes mit den Täufern «im stillen Bergthal des Tschaywo, an den Solothurner Gränzen, im Wald auf Champoz, in andern freundlichen Einöden», der möge folgendes Werk zur Hand nehmen oder online die entsprechenden Seiten 322 bis 324 konsultieren:Heinrich Zschokke, Die klassischen Stellen der Schweiz und deren Hauptorte in Originalansichten dargestellt. Karlsruhe und Leipzig (Kunst-Verlag), 1836-1838, Bd. 2, 322–324 (→ Online ) .
Vgl. zu Zschokke auch den älteren Beitrag von Hans Rudolf Lavater hier.