“Er hat es lassen auβ Holland bringen” oder: Wie ein niederländischer Märtyrer-Spiegel den Weg in den Süden fand

Es ist bekannt, dass bei alten Büchern bisweilen weniger der gedruckte Text interessant ist, als vielmehr die dann und wann vorhandenen handschriftlichen Besitzereinträge. Das gilt natürlich auch für täufergeschichtlich wichtige Drucke, zu denen in besonderer Weise der von Tieleman Jansz van Braght (1625-1664) herausgegebene sogenannte „Märtyrer-Spiegel“ zählt.

Recht weit verbreitet unter Täuferinnen und Täufern der Schweiz waren die beiden über 1000 Seiten umfassenden Übersetzungen ins Deutsche. Unter dem Titel „Der blutige Schauplatz oder Märtyrerspiegel der Taufgesinnten oder wehrlosen Christen, die um des Zeugnisses Jesu, ihres Seligmachers, willen gelitten haben und getötet worden sind, von Christi Zeit bis auf das Jahr 1600“ erschien die erste deutsche Version 1748/49 in Ephrata in Pennsylvania, die zweite 1780 in Pirmasens in der Südwestpfalz.

Im Kontext des schweizerisch-süddeutsch-elsässischen Täufertums findet man allerdings kaum Kopien der niederländischen Vorlagen zu diesen Übersetzungen: Der Erstdruck erfolgte 1660 in Dordrecht, ein erweiterter Nachdruck um 1685 in Amsterdam (vgl. nachfolgend das Titelblatt!).

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Umso erstaunlicher ist es, dass sich in den Beständen des Theologischen Seminars auf dem Bienenberg gleichwohl ein Exemplar der Amsterdamer Ausgabe von 1685 befindet – und zwar mit einem aufschlussreichen handschriftlichen Eintrag:

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„Diβ Buch Gehort dem Peter Tschantz er hat es lassen auβ Holland bringen es hat in kost 8 f. Tütsch gält [8 Gulden] ist im zur hand gekomen jm jar 1719“.

Mit diesem Beispiel der aus dem Bernbiet stammenden Familie Tschanz wird deutlich, dass wenigstens in einzelnen Fällen durchaus auch schweizerische Täufer sich niederländische Exemplare des Märtyrer-Spiegels besorgten.

Nachkommen von bernischen Tschanz-Familien aus Oppligen und Sigriswil wandten sich verfolgungsbedingt bereits seit der Mitte des 17. Jahrhunderts ins Elsass, nach Süddeutschland und bald auch nach Nordamerika.

Weitere handschriftliche Einträge vor allem zur Familiengeschichte machen deutlich, dass das Buch während etlicher Generationen im Besitz täuferischer Tschanz im elsässischen Bollwiller zwischen Mulhouse und Colmar verblieb.

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