„Der übel singt, hat ein verdruss, der es wol kan, ein hoffart“ – Von Konrad Grebel (1524) zum Gesangverein der Mennoniten-Gemeinde Basel (1897)

Im Herbst 1524 scheinen der spätere Täufer Konrad Grebel und seine Gesinnungsfreunde in Zürich auf ihren Entdeckungsreisen durch die Bibel noch nicht auf Texte gestossen zu sein, die von einem Singen und Musizieren zu Gottes Ehre handeln. Die Lektüre der Psalmen mit ihrem Aufruf zum Gotteslob mit Zimbeln und Harfen, Posaunen und Trompeten, mit ihrer Einladung zum Anstimmen „Neuer Lieder“ – all das stand ihnen offenbar erst noch bevor. Noch sahen sie in Musik und Gesang vor allem Menschenwerk, ein eitel Haschen nach Ruhm und Ehre, mithin den Inbegriff eines korrupten Kirchensystems mit viel Glimmer, Glanz und Gloria, aber mit wenig Bereitschaft zu Selbst-Kritik und Umkehr. Solches galt es in ihren Augen mit der Bibel in der Hand auszuhebeln…

Im Originalton vom September 1524 klang das so: „Christus heisst sine Botten allein das Wort predigen […] Paulus ouch also, dass die Red Christi, nit gsang under unss wone“. Grebel bringt diese Aussage wie folgt auf den Punkt: „der übel singt, hat ein verdruss, der es wol kan, ein hoffart“ – zu gut Deutsch: Wer nicht singen kann, verärgert die Umstehenden, wer es gut kann, dem steigt es in den Kopf…

Nun, die Geschichte zeigt, dass auch in der Täuferbewegung schon sehr bald der Gesang wieder einen wichtigen Stellenwert bekam. Ein angesichts von Repression und Verfolgung zunehmend schwierig werdender Glaubensalltag artikulierte seine Anliegen, seine Hoffnungen und Freuden wie auch seine zahlreichen Leiden zunehmend in der Form von Liedern. Diese wurden gesammelt und erfuhren etwa in Liederbüchern wie dem „Aussbundt“ eine jahrhundertelange Wertschätzung.

Titelblatt - Ausbund 1792

Bis in die Gegenwart hält sich diese Verbundenheit täuferisch-mennonitischer Gemeinden zum Gesang. Im späten 19. Jahrhundert haben Impulse aus der Erweckungs- und Heiligungsbewegung mit ihrem Vereinswesen namentlich im süddeutsch-elsässisch-schweizerischen Raum auch in täuferisch-mennonitischen Gemeinden zur Gründung zahlreicher Chöre geführt.

Eine der frühen Chorgründungen auf Schweizer Boden ist diejenige des „Gesangvereins der Mennoniten-Gemeinde Basel“ im Jahre 1897. Wohl aus der Zeit um die Jahrhundertwende dürfte die nachfolgende (undatierte) Foto stammen, die unlängst der Dokumentationsstelle des Schweizerischen Vereins für Täufergeschichte auf dem Bienenberg übergeben worden ist.

Gesangverein der Mennoniten-Gemeinde Basel-Holee (um 1900) mit Dirigent Fritz Goldschmidt (1874-1960)

Gesangverein der Mennoniten-Gemeinde Basel-Holee (um 1900) mit Dirigent Fritz Goldschmidt (1874-1960)

Trotz ihres recht lädierten Zustandes ist sie ein wichtiges Dokument für die Geschichte der Basler Holee-Gemeinde. Es ist zu wünschen, dass ähnliche Quellen gerade auch dann einer guten Archivierung zugeführt werden, wenn sie nicht mehr in Top-Qualität sind. Sonst riskieren wir den irreversiblen Verlust wichtiger Zeitdokumente.

Hanspeter Jecker

Dieser Beitrag wurde unter Basel, Musik, Schweiz, Täufer, Zürich abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.