Zur Migration schweizerischer Täuferinnen und Täufer in den Kraichgau

Es ist bekannt, dass nach den grauenhaften Verwüstungen des Dreissigjährigen Krieges (1618-1648) die Obrigkeiten dieser Gebiete dringend nach Kolonisten suchten, welche die zerstörten Dörfer aufbauten und die verwüsteten Fluren wieder bebauten.

Es ist ebenfalls bekannt, dass die dazu erlassenen attraktiven Ansiedlungsbedingungen nicht zuletzt auch viele unter Repression leidende Täufer aus der Schweiz zur Einwanderung in die Pfalz und in den Kraichgau motivierten. Vorerst waren dies vor allem Täuferinnen und Täufer aus dem Zürichbiet, später auch zunehmend aus dem Bernbiet.

Vor allem die bernische Zuwanderung ist allerdings noch sehr schlecht erforscht. Da die vorhandenen Kraichgauer Quellen die Namen der Berner oft nur entstellt und meist ohne Herkunftsangaben auflisten, braucht es ein sorgfältiges Abgleichen der vorhandenen Angaben mit schweizerischen Dokumenten, um sich ein genaueres Bild der Zuwanderung zu verschaffen.

Steinsfurt Täuferkeller (1)

Fachwerkhaus in Steinsfurt bei Sinsheim im Kraichgau. Hier wurde im Gewölbekeller 1661 eine Täuferversammlung ausgehoben. (Kellereingang in der rechten unteren Bildecke)

Wo das allerdings geschieht, sind neue Einsichten zu erwarten. So kann aufgrund bernischer Quellen beispielsweise gezeigt werden, dass durchaus nicht alle Täuferinnen und Täufer, die 1661 in Steinfurt bei einer Versammlung im “Täuferkeller” (Foto oben) aufgegriffen worden sind, zürcherischen oder schaffhausischen Ursprungs sind, wie dies bisher meist vermutet wurde.

Wenigstens in einem Fall scheint es sich um Migranten aus dem Bernbiet zu handeln: «Jacob Wüssler und seine Fraw» beispielsweise sind wohl die vom Hof Bembrunnen im Eyschachen bei Langnau stammenden Jakob Wisler und Madlen Friedrich, die ab den 1640er Jahren wiederholt in bernischen Quellen auftauchen. Nicht alle Familienmitglieder scheinen aber andauernd im Kraichgau verblieben zu sein, einige tauchen wiederholt im Emmental auf. 1669 wurde das elterliche Gut – in deren Abwesenheit! – konfisziert, wobei allerdings für die Obrigkeit nicht viel abfiel: “Nüt anders als die höchste armuot” lautete die ernüchternde Bilanz…

Geltstag-Rodel für Jakob Wisler von 1669 (StABE B III 194a)

Geltstag-Rodel für Jakob Wisler und seine Frau von 1669 (StABE B III 194a)

Unlängst fand in Sinsheim eine Tagung statt zum Thema “Schweizer Brüder in fremder Heimat – Mennoniten im Kraichgau”. Es ist das Verdienst des deutschen Mennonitischen Geschichtsvereins sowie des Heimatvereins Kraichgau, dieses Treffen organisiert zu haben. Es ist geplant, die Vorträge der Tagung demnächst zu publizieren* – auch aus der Optik schweizerischer Täufergeschichte ein erfreulicher Vorsatz!

Affaire à suivre!

PS1. Zur Ansiedlung von Berner Täufern im Kraichgau vgl. auch den Blog-Beitrag zu den Horsch! (Zur Pfalz siehe hier)

*PS2. Mittlerweile ist der Tagungsband publiziert unter folgendem Titel: Diether G. Lichdi / Bernd Röcker / Astrid von Schlachta (Hg.): Schweizer Brüder in fremder Heimat. Mennoniten im Kraichgau, Bolanden-Weierhof / Sinsheim 2018, ISBN: 978-3-921881-17-0.

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